Ein quer durchs Bild verlaufendes Schreiben, auf welchem man klar Grundsteuerbescheid lesen kann.
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Einspruch: Lohnt es sich, den Grundsteuerbescheid offen zu halten?

Einspruch: Lohnt es sich, den Grundsteuerbescheid offen zu halten?

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In diesen Tagen versendet die Finanzverwaltung Grundsteuer-Bescheide. Mit diesen Bescheiden findet das frisch renovierte Grundsteuersystem seine erste Anwendung. Da das bisherige Grundsteuersystem 2018 vom Bundesverfassungsgericht wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz für verfassungswidrig erklärt wurde, fragen sich viele Menschen, ob sie dem neuen System trauen können. In der Fachwelt halten etliche Stimmen auch das neue System für verfassungswidrig, obwohl es mit dem bisherigen System nur noch sehr wenig gemeinsam hat.


Was leistet ein Einspruch?

Steuerbescheide haben die Eigenschaft, dass sie mit Ablauf der Einspruchsfrist verbindlich werden – ganz gleich, ob sie in der Sache korrekt sind oder nicht. Wer also seinen Steuerbescheid widerspruchslos hinnimmt, kann von späteren Rechtsentwicklungen nicht mehr profitieren.
Allerdings ist ein Einspruch auch kein Wundermittel. Hat man keine gute Begründung, so muss man spätestens wenige Monate später Klage zum Finanzgericht erheben, um den Bescheid weiter offen zu halten. Spätestens mit einer Klage sind Kosten verbunden, sodass man diesen Schritt nur gehen sollte, wenn es eine konkrete Aussicht auf Erfolg gibt.

Vollständige Verfassungswidrigkeit sehr unwahrscheinlich

Dabei ist zu beachten, dass es extrem unwahrscheinlich ist, dass die neue Rechtslage vom Bundesverfassungsgericht komplett verworfen wird. Das bisherige Grundsteuerrecht wies eklatante Mängel auf – dennoch erlaubte das Bundesverfassungsgericht seine Fortgeltung für eine Übergangsfrist von etwa sechs Jahren.

Von Korrekturen können nur konkret Betroffene profitieren

Es ist denkbar, dass sich das neue Grundsteuerrecht als in einzelnen Aspekten korrekturbedürftig erweist. In diesem Fall werden von Korrekturen aber nur diejenigen Steuerpflichtigen profitieren, die nicht nur Ihren Steuerbescheid offengehalten haben, sondern die auch von der konkreten korrigierten Regelung betroffen sind.

Fortschreibung als Alternative zum Einspruch

Eine Alternative zum Einspruch stellt in vielen Fällen die sogenannte Fortschreibung dar, eine Spezialität der Grundsteuer, die eine Anpassung für die Zukunft ermöglicht. Da sich die Grundsteuer erst ab dem Jahr 2025 nach den aktuell erlassenen Bescheiden richten wird, bleibt also noch Zeit für eine solche Korrektur. Wird eine Fortschreibung vor Beginn des Jahres 2025 durchgeführt, wirken sich die aktuellen Steuerbescheide praktisch nicht aus. Eine Fortschreibung ist zum Beispiel möglich, wenn der Wert der Immobilie um 15.000 Euro von der bisherigen Feststellung abweicht. Auch eine Fortschreibung zur Beseitigung von Fehlern ist möglich.

Hat der Einspruch Aussicht auf Erfolg?

Weicht das Finanzamt mit dem Steuerbescheid von der Erklärung ab, sollte ein Einspruch immer in Betracht gezogen werden. Legt das Finanzamt der Besteuerung aber die Angaben aus der Steuererklärung unverändert zu Grunde, dann lohnt sich der Einspruch maximal dann, wenn konkrete Bedenken gegen das neue Besteuerungssystem als solches bestehen.

Voraussetzung für den Erfolg Ihres Einspruchs ist immer eine Verletzung in eigenen Rechten. Das ist nur dann der Fall, wenn man benachteiligt wird.

 

Verfassungsrechtliche Bedenken

Öffnungsklausel

Nach der Rollenverteilung zwischen Bund und Ländern, wie sie das Grundgesetz in Art. 70 vorsieht, fällt das Grundsteuergesetz in den Verantwortungsbereich der Länder. Die reformierte Grundsteuer wurde dennoch zunächst vom Bund ausgearbeitet und den Ländern die Möglichkeit gelassen, eigene gesetzliche Regeln zu erlassen. Hiervon haben auch die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, dass Saarland und Sachsen Gebrauch gemacht. Für Unternehmen oder Privatpersonen, die Grundstücke in verschiedenen Bundesländern zum Eigentum haben, bedeutet dies unterschiedliche Bewertungsverfahren, die zwangsläufig zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.

Verwaltungsaufwand

Ein sehr frühes Gutachten von Prof. Dr. Gregor Kirchof im Auftrag eines Interessenverbands der Immobilienwirtschaft nennt unter anderem den hohen Verwaltungsaufwand als Grund für einen Verfassungsverstoß. Allerdings stellt es diesen Verwaltungsaufwand nicht im Einzelnen dar. Nach unserer bisherigen Erfahrung ist der Verwaltungsaufwand für die einzelne Steuererklärung für die meisten Immobilien nicht hoch. Die benötigten Daten sind überschaubar und viele Besteuerungsgrundlagen werden aus öffentlichen Daten automatisch beigezogen. Bei Gewerbeobjekten muss eine Einordnung der Gebäudeart in einen Katalog von ca. 20 Kategorien vorgenommen werden. Außerdem steigt der Erklärungsaufwand erheblich, wenn das Gebäude aus mehreren Teilen mit unterschiedlicher Bauweise aus verschiedenen Baujahren besteht. Zu berücksichtigen ist auch, dass eine Steuererklärung spätestens alle sieben Jahre abzugeben ist, sofern nicht vorher eine Änderung der Verhältnisse eine so genannte Fortschreibung erforderlich macht.

Gesetzliche Berechnungsparameter: Bewirtschaftungskosten, Liegenschaftszins, Miete und Normalherstellungskosten

Die Berechnung der Grundsteuer beruht einerseits Teil auf den vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zur Grundstücks- und Wohnfläche, Baujahr und Wohnungszahl. Andererseits basiert sie auf Zahlen, die entweder gesetzlich vorgegeben sind oder aus Fachkreisen beigezogen werden.
So ist zum Beispiel gesetzlich festgelegt, dass die Bewirtschaftungskosten für ein Mietwohngrundstück, das jünger als zwanzig Jahre ist, 21 % des Rohertrags betragen.

Auch die Miete, die in die Berechnung des Grundstückswerts einfließt, ist gesetzlich festgelegt. Das Gesetz unterscheidet dabei nach dem Bundesland, der Gebäudeart (Ein- oder Zweifamilienhaus oder Mietwohngrundstück) und nach der Wohnfläche (unter 60², 60-100 m² oder 100 m² und mehr).

Die gesetzlich festgelegte Nettokaltmiete wird angepasst durch so gesamte Mietniveaustufen, die einen Abschlag von bis zu 20 % bis zu einem Zuschlag von 40 % auf die gesetzlich festgelegten Nettokaltmiete bewirken. Zu diesem Zweck wird durch die Finanzverwaltung des Bundes jede Gemeinde im Bundesgebiet einer Mietniveaustufe zugeordnet. Unterscheidungen innerhalb einer Kommune finden nicht statt – auch wenn es sich um eine Großstadt wie Berlin handelt.
Die gesetzliche Festlegung von Berechnungsparametern, wie im Fall der Bewirtschaftungskosten, des Liegenschaftszinses und der Normalherstellungskosten birgt das Risiko, dass notwendige Aktualisierungen unterbleiben. Dasselbe gilt für die von der Finanzverwaltung festgelegten Mietniveaustufen. Für das grundgesetzliche Gleichbehandlungsgebot stellt es dabei kein Problem dar, wenn alle Grundstücke unter- oder überbewertet werden, solange dies gleichmäßig geschieht. Steigen jedoch die Bodenpreise und Mieten in einer Region deutlich stärker als in einer anderen und bleibt dies bei der Grundsteuer unberücksichtigt, liegt eine Ungleichbehandlung vor, die der Rechtfertigung bedarf. In der gesetzlichen Festlegung sehen wir primär einen Risikofaktor für einen zukünftigen Verstoß gegen den Gleichheitssatz.

Statistische Daten aus Fachkreisen: Der Bodenrichtwert

Den Bodenrichtwert, also der Wert, der für jeden Quadratmeter eines zu bewertenden Grundstücks angesetzt wird, legen lokale Gutachterausschüsse fest. Diese haben den Auftrag, aus sämtlichen Grundstücksverkäufen die Bodenwerte zu ermitteln und in Zonen zusammenzufassen, in denen der Wert des Bodens jeweils nicht mehr als 30% nach oben oder unten abweichen soll. Hierdurch wird eine Abweichung von insgesamt 60% innerhalb einer Bodenrichtwertzone hingenommen, die in Einzelfällen auch überschritten werden kann, vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 ImmoWertV. Die mögliche Abweichung vergrößert sich an den Grenzen zu benachbarten Bodenrichtwertzonen, da die Grenzziehung in den wenigsten Fällen zwingend sein dürfte.

Die Zusammensetzung der Gutachterausschüsse, Qualifikation ihrer Mitglieder, deren Pflichten und die fachliche Aufsicht sind für Nordrhein-Westfalen in der Grundstückswertermittlungsverordnung niedergelegt – ebenso die Herkunft der Daten.

Die fachliche Verfahrensweise zur Ermittlung der Bodenrichtwerte ist bundeseinheitlich in der Immobilienwertermittlungsverordnung niedergelegt. Das oder die angewendeten Verfahren für die Ermittlung der Bodenrichtwerte müssen dokumentiert werden. Einzelne Bodenrichtwerte werden jedoch ausdrücklich nicht begründet. Hierin liegt ein Transparenzdefizit.

Die Zuziehung von Berechnungsergebnissen der Gutachterausschüsse birgt außerdem das Risiko, dass die dort ermittelten Werte tatsächlich gleichheitswidrig sind. Die Gutachterausschüsse errechnen die Bodenrichtwerte aus den tatsächlich bei Grundstücksverkäufen erzielten Preisen. Statistische Probleme zeichnen sich also dort ab, wo in der Nachbarschaft nur sehr wenige Objekte vorhanden sind, die zum Vergleich herangezogen werden können. Sind diese Objekte gleichzeitig sehr unterschiedlich oder wurden nur sehr wenige Objekte verkauft, so ist die statistische Grundlage zur Ermittlung der Bodenrichtwerte schwach. Dennoch sieht das Gesetz keine Möglichkeit für den Steuerzahler vor, einen abweichenden Bodenwert nachzuweisen. Angesichts der gesetzlich in Kauf genommenen Ungleichheiten halten wird das im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz für bedenklich.

Geringe Berücksichtigung von Bausubstanz

Die Qualität der Bausubstanz wird im Rahmen der Grundsteuer nur in Form des Baujahrs berücksichtigt. Solche Typisierungen sind zur Vermeidung im Steuerrecht ausdrücklich zulässig, denn sie halten den Verwaltungsaufwand in Grenzen.

Dennoch bewirken die neuen grundsteuerrechtlichen Regeln, dass marode Bausubstanz unberücksichtigt bleibt. So wird auch für nahezu verfallene Immobilien eine Restnutzungsdauer von 30% der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer angenommen, solange sie noch nutzbar sind. Für ein Wohngebäude, dessen gesamte Nutzungsdauer von Gesetzes wegen mit 80 Jahren angenommen wird, heißt das, dass eine Restnutzungsdauer von 24 Jahren unabhängig vom baulichen Zustand nicht ohne eine Abbruchverfügung unterschritten werden kann.

Auch die Miete je Quadratmeter fließt in die Berechnung der Grundsteuer ein. Dabei stellt das Gesetz jedoch nicht auf die konkret zwischen Mieter und Vermieter vereinbarte Miete ab, sondern legt selbst monatliche Nettokaltmieten in Euro je Quadratmeter Wohnfläche fest. Hier wird auch nach dem Baujahr des Gebäudes differenziert. Dabei weisen die gesetzlich festgelegten Nettokaltmieten nur eine geringe Spreizung auf. So beträgt die Nettokaltmiete je Quadratmeter für ein in der unmittelbaren Nachkriegszeit aus Trümmern errichtetes Einfamilienhaus in Nordrhein-Westfalen mit 90 Quadratmetern Wohnflächen nach der gesetzlichen Vorgabe 6,10 €. Für ein gleich großes, 2020 errichtetes Niedrigenergiehaus beträgt sie 6,65 €.

Fazit
Wir raten, Einspruch einzulegen, wenn eine Benachteiligung in mindestens einem der oben dargestellten Bereiche gegeben ist. Addieren sich mehrere Nachteile, so erhöhen sich die Chancen auf Erfolg. Ein hoher Immobilienwert bedeutet naturgemäß auch hohe finanzielle Auswirkungen. Wichtig ist auch, den Einspruch gegen den richtigen Steuerbescheid einzulegen: Bei den oben dargestellten Benachteiligungen hilft nur ein Einspruch gegen den Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwerts weiter.

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