Insbesondere das gestiegene Zinsniveau und die Verteuerung der Materialpreise haben in den letzten Monaten die Absatzchancen der Bauträger und Projektentwickler für deren Immobilien erheblich sinken lassen. Eine Reihe namhafter Immobilienunternehmen musste bereits Insolvenz anmelden oder steht kurz davor. Aber auch Verbraucher, deren Zinsbindungen auslaufen, können sich häufig keine Anschlussfinanzierungen mehr leisten. Dies führt dazu, dass sowohl gewerbliche, als auch private Immobilienfinanzierungen notleidend werden. Die finanzierenden Banken haben in dieser Situation eine Vielzahl von Rechtsfragen zu klären. Auch wenn jeder Fall konkret zu betrachten ist, soll dieser Beitrag – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – einen kleinen Überblick über Handlungsoptionen der Banken geben.
Gewerbliche Immobilienfinanzierungen
- Aufgrund der aktuellen Situation scheint ein regelmäßiges Monitoring des Immobilienkunden nicht nur kreditaufsichtsrechtlich geboten, um eventuelle Krisen des Kunden frühzeitig zu erkennen und hierauf zu reagieren. Die Bank hat gegenüber ihrem Kunden AGB-rechtlich nicht nur dann, wenn sich dessen Bonitäts- oder Sicherheitenlage ändert, einen Anspruch auf regelmäßige Selbstauskünfte. Die Verletzung dieser Auskunftspflichten kann u. U. ein (fristloses) Kündigungsrecht nach § 314 BGB i.V.m. Ziff. 10.1 ABKD, 19.3 AGB gegenüber dem Kunden begründen.
- Rechtzeitig vor der Krise sollten die Sicherheiten für das Engagement geprüft und ggf. eine Sicherheitenverstärkung (Ziff. 13 AGB) gefordert werden. Die nachträgliche Bestellung von Sicherheiten in der Krise des Kunden ist dagegen meist wertlos, da diese i.d.R. anfechtbar sein dürfte (vgl. §§ 130, 131 InsO). In solchen Fällen bietet sich möglicherweise aber die Hereinnahme von Drittsicherheiten an. Soll dem Krisenunternehmen – gegen Vorlage entsprechender Sanierungsgutachten (muss nicht IDW S6 entsprechen) – „fresh money“ zur Verfügung gestellt werden, sollte diese Finanzierung separat besichert werden. Keinesfalls darf beim Abschluss der Sicherheitenvereinbarung für die Neukreditierung auch das bisherige Engagement z.B. mittels „weiter“ Zweckerklärung mitbesichert werden. Diese „weite“ Sicherheitenvereinbarung wäre anfechtbar.
- Muss sich die Bank vom notleidenden Engagement trennen, ist zunächst zu prüfen, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung gegenüber dem Kunden ausgesprochen werden kann.Häufig werden gesetzliche (§§ 314, 490 BGB) bzw. vertragliche Kündigungsgründe (Ziff. 10 ABKD, 19 Abs.3 AGB) für eine außerordentliche fristlose Kündigung in Betracht kommen. Vor Ausspruch der Kündigung sollte aber geprüft werden, wie sich die Kündigung beispielsweise auf ein Kontokorrentverhältnis oder die Aufrechnungsbefugnis auswirkt, insbesondere auch anfechtungsrechtlich.Auch ist zu beachten, dass die Verwertungsreife für bestehende Sicherheiten erst nach der Fälligstellung des Engagements eintritt. Grundschulden als Sicherheiten müssen mit Halbjahresfrist gemäß § 1193 BGB separat gekündigt sein, bevor die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung hieraus beantragt wird.Hat der Kunde noch keinen Insolvenzantrag gestellt, kann eine Fälligstellung des Engagements beim Kunden Insolvenzreife herbeiführen. Eine vorschnell ausgesprochene Kündigung könnte zu Schadensersatzansprüchen gegen die Bank führen. Insbesondere darf die Kündigung nicht zur „Unzeit“ erfolgen und beispielsweise einen bereits eingeleiteten sowie mit der Bank abgestimmten Sanierungsprozess verhindern.Auch eine (unwirksame) Kündigung kann als Gestaltungserklärung nicht mehr zurückgenommen werden. Die Kündigung sollte deshalb ultima ratio sein, wenn keine anderen gleichwertigen Handlungsmöglichkeiten für die Bank verbleiben.Zu prüfen ist auch, wem gegenüber die Kündigung zu erklären ist, beispielsweise dem Geschäftsführer der GmbH oder dem Insolvenzverwalter. Im vorläufigen Insolvenzverfahren kann diese Frage erhebliche Probleme bereiten.Bei der Kündigung gegenüber einem Bauträger werden vor Ausspruch der Kündigung auch die Folgen für das finanzierte Bauvorhaben und die Erwerber zu berücksichtigen sein, beispielsweise im Hinblick auf Freigabeverpflichtungen nach § 3 MaBV.
- Ist die Bank Mitglied eines Konsortiums aus Banken, sei es im Rahmen der Finanzierung und / oder der Besicherung, sind die einzuleitenden Maßnahmen vorher im Zweifel mit den Konsortialpartnern abzustimmen. Gleiches gilt bei Co-Finanzierungen mit z.B. Fördermittelbanken.
- Nach Ausspruch der Kündigung sollte geprüft werden, welche Forderungen tituliert werden müssen. Dies gilt nicht nur für die Engagementforderungen gegen den Kunden selbst, sondern auch für die Sicherheiten, z.B. Bürgschaften, die mit der Hauptforderung fällig werden und dann ebenso der kurzen dreijährigen Verjährung (§ 195 BGB) unterliegen, wie die Hauptforderung selbst.
- Sicherheiten sollten – soweit die Verwertungsbefugnis nicht auf einen Insolvenzverwalter übergeht (§§ 165, 166 InsO) – grundsätzlich zeitnah verwertet werden, damit im Insolvenzverfahren des Schuldners ggf. der Ausfallrechtzeitig beziffert werden kann.Je nach Stand und Zielrichtung des Insolvenzverfahrens bietet es sich aber auf jeden Fall an, sich diesbezüglich auch mit der Schuldnerseite abzustimmen, beispielsweise wenn ein Insolvenzplan vorbereitet werden soll oder im Insolvenzverfahren das Unternehmen übertragen werden soll. Die zeitnahe Verwertung von Sicherheiten bietet sich aber auch außerhalb eines laufenden Insolvenzverfahrens gerade bei Bauträgerobjekten an. Insbesondere wird ggf. zu klären sein, unter welchen Voraussetzungen die Bank ein notleidendes – zu ihren Gunsten dinglich besichertes – Bauträgerobjekt fertigstellt und welche Rechtsfolgen hieraus für die Bank entstehen können (z.B. Gewährleistung gegenüber Erwerbern).
Immobilienfinanzierung gegenüber Verbrauchern
- Bei Immobilienfinanzierungen gegenüber einem Verbraucher stellen sich weitgehend ähnliche Fragen, wie bei einem gewerblichen Kredit, insbesondere was die Frage der Überwachung des Engagements im Rahmen des Monitoring anbelangt, ebenso in Bezug auf die Verwertung der Sicherheiten.
- Will die Bank ein Verbraucherdarlehen wegen Zahlungsrückständen kündigen, müssen die Voraussetzungen des § 498 BGB beachtet werden. Aufgrund eines vom Verfasser erstrittenen Urteils des OLG Stuttgart v. 29.03.2017 (9 U 23/16), das durch den Beschluss des BGH vom 28.11.2017 (XI ZR 295/17) bestätigt wurde, steht fest, dass bereits vor Erreichen der für eine Kündigung nach § 498 BGB notwendigen Rückstände, auch bei geringeren ahlungsrückständen aus anderen Gründen gekündigt werden darf, wenn z.B. aufgrund von Vollstreckungsmaßnahmen anderer Gläubiger eine Vermögensverschlechterung des Verbrauchers objektiv gegeben ist.
Disclaimer
Die obigen Ausführungen stellen einen Überblick über mögliche Rechtsprobleme im Zusammenhang mit der Immobilienfinanzierung in der aktuellen Immobilienkrise dar. Da jeder Sachverhalt seine individuellen Eigenheiten aufweist, stehe ich Ihnen zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus unserem Bankrechtsteam gerne zur Verfügung.