Eigenbedarfskündigung: Cousins und Cousinen gehören nicht zur engeren Familie – zumindest laut BGH
Die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Eigenbedarfs kann nur zu Gunsten von Personen, die zum engsten Familienkreis zählen, gekündigt werden. Cousins/Cousinen sind zwar tatsächlich Familienangehörige. Ihnen steht aber kein Zeugnisverweigerungsrecht in Bezug auf den Vermieter zu und zählen damit lediglich zur entfernten Verwandtschaft. Auf eine tatsächliche persönliche Bindung zwischen den Familienangehörigen kommt es nicht an. Eine Eigenbedarfskündigung zu Gunsten von Cousins/Cousinen ist somit nicht möglich.
Zum Sachverhalt
Eine GbR, bestehend aus zwei Cousins, erwarb im Jahr 2013 in Berlin eine vermiete Wohnung. Einer der Gesellschafter verstarb im Jahr 2016 und wurde von seinen drei Kindern beerbt. Im Jahr 2021 kündigte die GbR das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs, da einer der Gesellschafter die Wohnung für sich benötigte.
BGH bestätigt Rechtsprechung zum Eigenbedarf eines GbR-Gesellschafter
Der BGH hat mit seinem Urteil vom 10.07.2024 – VIII ZR 276/23 zunächst bestätigt, dass eine Außen-GbR grundsätzlich Eigenbedarf für einen ihrer Gesellschafter geltend machen kann. Die zum 01.01.2024 in Kraft getretenen Neuregelungen der GbRs durch das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) fanden auf diesen Fall keine Anwendung, da die Kündigung schon vor Inkrafttreten ausgesprochen und wirksam wurde bzw. hätte sein sollen.
Mitglieder der engsten Familie ist eine rechtliche Frage und keine tatsächliche
Die Kündigung war unwirksam, weil sie innerhalb der 10 Jahressperrfrist der § 577a Absatz 1 a Satz 1 1 Nr. 1 BGB, § 577a Absatz 2 BGB i.V.m. § 2 BlnKündigungsschutzklausel-VO 2013 erfolgte und sich die GbR nicht auf den Ausnahmetatbestand des § 577 a Abs. 1 a Satz 2 BGB berufen, nachdem die Kündigungssperrfrist unter anderem dann nicht gilt, wenn die Gesellschafter derselben Familie angehören. Denn die Gesellschafter waren im maßgeblichen Zeitpunkt des Eigentumserwerbs lediglich Cousins und gehörten somit nicht zu derselben Familie an. Für die Frage der Familienangehörigkeit greift der BGH auf die Rechtsprechung zur Eigenbedarfskündigung für Familienangehörige nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB zurück.
Der Gesetzgeber legt nicht ausdrücklich fest, welche Verwandtschaftsverhältnisse eine „persönliche Verbundenheit“ begründen, um als Familienangehörige der engeren Verwandtschaft zu zählen.
Deshalb – so der BGH – sei an objektiven Maßstäben zu beurteilen, ob eine Person zu dem Kreis der privilegierten Familienangehörigen zählt.
Demnach sind Cousins keine berechtigen Angehörige im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr.2 BGB, da ihnen das Prozessrecht kein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen nach § 383 ZPO, § 52 StPO gewährt.
Für den privilegierten Personenkreis der Familie i.S.d. § 577a Abs. 1 a Satz 2 BGB, zu dessen Gunsten die Kündigungsbeschränkung des § 577a Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 BGB nicht eingreift, gilt nichts anderes.
Damit indiziert der BGH allein nach objektiven Kriterien, dass zwischen Cousins lediglich ein entferntes Verwandtschaftsverhältnis besteht, welches nicht von persönlicher Verbundenheit und gegenseitiger Solidarität geprägt ist, unabhängig vom Vorliegen eines tatsächlichen Näheverhältnisses der Cousins zueinander. Es komme allein auf eine typisierende Betrachtungsweise an.
Anmerkung
Die Entscheidung des BGH zielt darauf ab, eine klare Rechtslage zu schaffen.
Allgemein bekannt dürfte aber sein, dass die Entscheidung des BGH mit den tatsächlichen Gegebenheiten, die in sehr vielen Familien herrscht, nicht übereinstimmt. Denn die nach dem BGH zum engsten Verwandtschaftskreis angehörigen Familienmitglieder sind oft diejenigen, mit denen gerade keine enge Verbundenheit besteht.
Wichtigste Frage bleibt offen!
Nicht geklärt hat der BGH die Rechtsfrage, ob eine GbR auch nach dem Inkrafttreten des MoPeG eine das Wohnraummietverhältnis beendende Eigenbedarfskündigung zu Gunsten ihrer Gesellschafter aussprechen kann.
Autorin
Lisa Knöll
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht