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Newsletter Immobilienrecht | Ausgabe März 2025

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Neue Maßstäbe zur Wahrung der Klagefrist bei Beschlussanfechtungen von Wohnungseigentümern

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25.10.2024 (V ZR 17/24) bringt wesentliche Klarstellungen für die Praxis der Beschlussanfechtungsklagen im Wohnungseigentumsrecht. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Verpflichtungen eine klagende Partei hat, um die Zustellung der Klage sicherzustellen. Der BGH legt in seinem Urteil fest, dass der Kläger nicht nur alle erforderlichen Maßnahmen zur Zustellung treffen muss, sondern sich auch innerhalb eines bestimmten Zeitraums aktiv über den Verfahrensstand erkundigen muss.

 

Sachverhalt und Entscheidung

Zwei Tage nach der Eigentümerversammlung von Oktober 2016 erhebt der Kläger zu verschiedenen Beschlüssen Anfechtungsklage. Pünktlich zahlt er den angeforderten Gerichtskostenvorschuss ein. Im November, immer noch binnen laufender Anfechtungsfrist, erweitert er die Klage um andere Beschlüsse. Den erneut angeforderten Kostenvorschuss bleibt er nun säumig, woraufhin das Gericht die Klage insgesamt nicht zustellt. Erst im Dezember 2020 erkundigt sich der Kläger, wann in der Sache entschieden werde. Daraufhin erfolgt die Zustellung. Wegen Versäumung der Beschlussanfechtungsfrist bleibt der Klage jedoch bis hinauf zum BGH der Erfolg versagt.

Die Zustellung der Klageschrift am 25.01.2021 erfolgte weder innerhalb eines Monats nach Beschlussfassung noch „demnächst“ iSv § 167 ZPO. Ein Beschlussanfechtungskläger hat alles Erforderliche zu tun, damit eine zumindest alsbaldige Zustellung der Klage möglich wird. Geschieht dies, fallen ihm Verzögerungen, die durch den gerichtsseitigen Ablauf verursacht werden, nicht zur Last. Zwar liegt hier eine fehlerhafte Sachbehandlung insofern vor, als die ursprüngliche Klage nach Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses – mit Ausnahme der späteren Erweiterung – nicht zugestellt wurde. Jedoch oblag dem Kläger unter den obwaltenden Umständen eine (zeitige) Erkundigungsobliegenheit, die mit der aus dem Wiedereinsetzungsrecht bekannten Jahresfrist zu bemessen ist (§ 234 Abs. 3 ZPO). Denn die über ein gesetzliches Schuldverhältnis verbundenen Wohnungseigentümer haben im Maßstab von Treue- und Rücksichtnahmepflichten Anspruch darauf, möglichst bald Rechtssicherheit in der Frage zu gewinnen, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt ein Beschlussanfechtungsverfahren geführt wird. Die um Jahre (!) verspätete Nachfrage des Klägers konnte demnach nichts mehr ausrichten.

 

Anmerkungen

Die vorstehende Entscheidung klärt eine höchstrichterlich bisher noch offene und nicht entschiedene Frage. Vom BGH bereits geklärt und entschieden ist, innerhalb welcher Zeiträume bei Beschlussanfechtungsklagen die Klagepartei auf jeweilige Anforderung des Gerichts tätig werden muss, um in den Genuss der Zustellung „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO zu kommen und um selbst verschuldete Zustellungsverzögerungen zu vermeiden. Geklärt und entschieden ist ebenso, welche Zeiträume und Verzögerungen dabei nicht zu Lasten der Klagepartei gehen. Noch nicht geklärt und entschieden war bisher die Frage, ob und was die Klagepartei einer Beschlussanfechtungsklage auf eigene Veranlassung zusätzlich unternehmen muss, obwohl sie alles für eine Zustellung der Klageschrift Erforderliche unternommen und getan hat, gleichwohl aber die Zustellung der Anfechtungsklage unterbleibt.

1. Im hier vorliegenden Fall hat der Kläger bereits zwei Tage nach der Eigentümerversammlung vom 17.10.2016 die Beschlussanfechtungsklage beim sachlich und örtlich zuständigen Amtsgericht eingereicht. Unmittelbar nach Anforderung des Kostenvorschusses durch das Amtsgericht hat der Kläger den Gerichtskostenvorschuss einbezahlt. Den weiteren Gerichtskostenvorschuss, den das Gericht für die kurz danach erfolgte Klageerweiterung angefordert hat, hat der Kläger nicht mehr einbezahlt, was dazu geführt hat, dass sowohl die ursprüngliche Anfechtungsklage als auch die Klageerweiterung nicht zugestellt worden sind. Erst rund vier Jahre später hat sich der Kläger über den aktuellen Sachstand erkundigt. Daraufhin ist die Anfechtungsklage wegen Versäumung der 1-monatigen Klagefrist als unbegründet abgewiesen worden. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision zum BGH zugelassen. Dort verfolgte der Kläger seine ursprünglichen Klageanträge weiter, so dass sich der BGH primär mit der Rechtsfrage zu beschäftigen hatte, ob der Kläger die Anfechtungsfrist gewahrt hatte oder nicht. Zwar galt für das vorliegende Verfahren noch das bis zum 30.11.2020 geltende Wohnungseigentumsgesetz. Für das seit dem 01.12.2020 geltende Wohnungseigentumsgesetz (WEMoG) gilt diese Entscheidung aber gleichermaßen, da sich an der 1-monatigen Klagefrist durch das WEMoG nichts geändert hat.Nach zutreffender Auffassung des BGH war die Klagefrist nicht mehr gewahrt. Dem Anfechtungskläger hätte es oblegen, spätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Monatsfrist zur Erhebung der Anfechtungsklage bei Gericht den Sachstand zu erfragen. Diese Sachstandsanfrage ist erst rund vier Jahre nach Ablauf der Klagefrist gestellt worden, also deutlich zu spät.

 

2. Die Wahrung der Klagefrist bei Anfechtungsklagen hat es in sich. Gesichert durch höchstrichterliche Rechtsprechung stand hierzu bisher folgendes fest: Eine Beschlussanfechtung kann gemäß § 45 S. 1 WEG nur innerhalb der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist eines Monats seit der Beschlussfassung erfolgen. In dieser Frist hat der Antrag beim zuständigen Amtsgericht einzugehen (§§ 23 Abs. 4 S. 2, 43 Abs. 2 Nr. 4, 45 S. 1 WEG i.V.m. § 23 Nr. 2 lit. c) GVG). Eine Fristwahrung ist auch durch Klageerhebung beim unzuständigen Gericht möglich (BGH NJW 1998, 3648).Auf den Zeitpunkt des etwaigen Zugangs eines Versammlungsprotokolls kommt es für den Beginn der 1-monatigen Anfechtungsfrist nicht an. Entscheidend für die Fristberechnung (für den Beginn der 1-monatigen Ausschlussfrist) ist das Datum der Beschlussfassung (also z. B. Beschlussfassung 20.02.2025, 22:45 Uhr – Fristende 20.03.2025, 24:00 Uhr, soweit der 20.03.2025 nicht auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt; oder z. B. Beschlussfassung 25.11.2024, 23:30 Uhr – Fristende 27.12.2024, 24:00 Uhr, sofern der 27.12.2024 kein Samstag oder Sonntag ist, dann Fristende mit Ablauf des nächsten Werktages). Für die Fristberechnung gelten die §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 1.Alt., Abs. 3 BGB und ggf. § 193 BGB.

Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 45 S. 1 WEG wird die einmonatige Klagefrist jedoch nur dann gewahrt, wenn die Klage innerhalb eines Monats erhoben wird. Gemäß § 253 Abs. 1 ZPO ist eine Klage erst dann erhoben, wenn sie der beklagten Partei bzw. dem Verwalter als Vertreter zugestellt worden ist. Führt der ehemalige Verwalter über das Ende seiner Bestellungszeit die Verwaltung fort, ist er nicht mehr Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft. Bei nicht rechtzeitiger Zustellung kann sich der Kläger ggf. auf § 167 ZPO berufen, wonach bereits der Eingang der Klageschrift bei Gericht die einmonatige Klagefrist wahren würde, sofern die Zustellung demnächst erfolgen würde. Ist die Zustellung nicht „demnächst“, kann entscheidend sein, wer es zu vertreten hat, dass nicht „demnächst“ zugestellt worden ist. Zahlt z. B. der Kläger den Gerichtskostenvorschuss zu spät ein, so dass deswegen die Klage nicht „demnächst“ zugestellt worden ist, hat er die verspätete Zustellung zu vertreten.

Für die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses besteht eine Frist von ca. 2 Wochen ab Anforderung durch das Gericht (BGH NJW 2009, 999; BGH NZM 2012, 351: 16 Tage können im Einzelfall noch hinnehmbar sein; BGH NZM 2018, 173 und NZM 2019, 628: in der Regel eine Woche). Mit Blick auf die Einzahlung des Kostenvorschusses kommt es bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von ca. 14 Tagen nicht auf die Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse, sondern darauf an, um wie viele Tage sich der für die Zustellung der Klage ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert hat (BGH NJW 2015, 2666; BGH ZWE 2015, 375). Wurde der Kostenvorschuss verfahrenswidrig nicht von der klagenden Partei selbst, sondern über deren Anwalt angefordert, ist die damit einhergehende – der Partei nicht zuzurechnende – Verzögerung im Allgemeinen mit drei Werktagen zu veranschlagen. Auch von einer auf die Wahrung ihrer prozessualen Obliegenheiten bedachten Partei kann nicht verlangt werden, an Wochenend- und Feiertagen sowie am Heiligabend und an Silvester für die Einzahlung des Kostenvorschusses Sorge zu tragen (BGH NJW 2015, 2666).

Auch wenn die Gerichtskostenvorschussrechnung dem Anwalt verfahrensfehlerfrei zur Vermittlung der Zahlung zugesandt wurde, ist der für die Prüfung der Kostenanforderung und deren Weiterleitung an die Partei erforderliche Zeitaufwand dieser nicht als Zustellungsverzögerung anzulasten (BGH NJW 2018, 173). Da die Rechtsprechung es der Partei gestattet, den Streitwert nicht in der Klageschrift anzugeben, sondern eine Streitwertanfrage des Gerichts für einen angemessenen Zeitraum abzuwarten (BGH NJW-RR 2016, 650; BGH NJW 2016, 568), kann die Zeit, die die Partei zur Beantwortung der Streitwertanfrage auch bei zügiger Bearbeitung benötigt, nicht als ihr zuzurechnende schuldhafte Verzögerung angesehen werden; ihr zuzurechnen ist vielmehr nur eine Verzögerung, die dadurch eintritt, dass sie die Streitwertanfrage nicht zügig beantwortet (BGH NJW-RR 2016, 650; BGH NJW 1994, 1073); auch bei einem einfach gelagerten Sachverhalt ist für die Beantwortung einer Streitwertanfrage einschließlich deren Eingang bei Gericht bei der gebotenen zügigen Bearbeitung ein Zeitraum von jedenfalls einer Woche zu veranschlagen (BGH NJW-RR 2016, 650; BGH NJW 1994, 1073). Fordert das Gericht keinen Gerichtskostenvorschuss an und bleibt der Kläger untätig, beginnt der ihm im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 167 ZPO („demnächst“) zuzurechnende Zeitraum einer Zustellungsverzögerung frühestens drei Wochen nach Einreichung der Klage bzw. drei Wochen nach Ablauf der durch die Klage zu wahrenden Frist (BGH NJW 2016, 568).

Bei unverschuldet versäumter Frist kann ggf. auf entsprechenden Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (§ 45 S. 2 WEG i. V. m. §§ 233 – 238 ZPO; insbesondere § 234 ZPO: 2-Wochenfrist und 1-Jahresfrist beachten). Da eine Beschluss-Sammlung zu führen ist, ist bei nicht rechtzeitiger Übersendung des Versammlungsprotokolls und einer dadurch eingetretenen Versäumung der einmonatigen Beschlussanfechtungsfrist nicht mehr ohne Weiteres Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 233 ff. ZPO zu gewähren. Ferner kann es mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden sein, wenn wegen nicht rechtzeitiger Übersendung des Versammlungsprotokolls vorsorglich aus Gründen der Fristwahrung sämtliche in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse angefochten werden. Aufgrund der Tatsache, dass gemäß § 24 Abs. 7 S. 7 WEG eine Beschluss-Sammlung zu führen ist, kann sich ein Eigentümer, der an einer Eigentümerversammlung nicht teilgenommen hat, auch ohne rechtzeitige Übersendung des Versammlungsprotokolls Kenntnis von den in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüssen verschaffen, indem er in die Beschluss-Sammlung Einsicht nimmt. Der Versammlungsleiter, das heißt in der Regel der Verwalter, ist gemäß § 24 Abs. 7 und Abs. 8 S. 1 WEG verpflichtet, die Beschluss-Sammlung zu führen. Gemäß § 24 Abs. 7 S. 7 WEG sind die Eintragungen unverzüglich vorzunehmen und mit Datum zu versehen. Jeder Eigentümer hat damit die verlässliche Möglichkeit, bereits wenige Tage nach der Eigentümerversammlung nachzuprüfen, welche Beschlüsse gefasst worden sind. Er muss nicht mehr auf das Versammlungsprotokoll warten. Damit besteht keine Grundlage mehr für eine vorsorgliche Anfechtung von Eigentümerbeschlüssen vor Erhalt des Versammlungsprotokolls (LG München I NJW 2008, 1823). Aus diesen Gründen dürfte eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 233 ff. ZPO nur noch schwer möglich sein (Spielbauer/Then, WEG, 3. Auflage 2017, § 24 Rn. 40).

Da es sich bei der Klagefrist des § 45 S. 1 WEG um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handelt, führt die Versäumung dieser Frist zur Abweisung der Klage als unbegründet.

 

3. Hier lag der Fall anders. Im hier vorliegenden Fall hat der Kläger alles Erforderliche getan, um eine zeitnahe Zustellung der Klage zu bewirken. Unschädlich hätte es sein müssen, dass der Kläger kurz nach Erhebung der Anfechtungsklage die Klage erweitert hat und den hierfür angeforderten weiteren Gerichtskostenvorschuss nicht einbezahlt hat. Da der für die ursprüngliche Anfechtungsklage geforderte Gerichtskostenvorschuss unverzüglich einbezahlt worden ist, hätte das Gericht zumindest die Anfechtungsklage zustellen müssen und hätte allenfalls die Klageerweiterung „liegenlassen“ dürfen. Die zunächst unterbliebene Zustellung der Klage beruhte also rein auf einem Versäumnis des erstinstanzlichen Gerichts.

Gleichwohl stellt sich in einem solchen Fall natürlich die Frage, ob und wann sich die Klagepartei nach dem Stand des Verfahrens erkundigen muss, wenn Anzeichen dafür bestehen, dass das Verfahren seitens des Gerichts nicht betrieben wird. Dem Verfasser waren hierzu bisher lediglich das erstinstanzliche Urteil des AG München vom 25.11.2015 (485 C 30059/14 WEG) sowie das zweitinstanzliche Urteil des LG München I vom 13.10.2016 (36 S 21933/15, IMR 2017, 256) bekannt, wonach allenfalls in einem engem Rahmen Nachforschungsobliegenheiten bei Gericht bestehen und jedenfalls ein Zuwarten von bis zu sechs Monaten (in Anlehnung an § 517 ZPO) unschädlich ist, wenn klägerseits alles Erforderliche für die demnächstige Zustellung getan ist und insbesondere der Gerichtskostenvorschuss eingezahlt worden ist (so das AG München als I. Instanz) bzw. ein Kläger oder Prozessvertreter im Weiteren nicht mehr gehalten ist, das gerichtliche Vorgehen zu kontrollieren und durch Nachfragen auf die beschleunigte Zustellung hinzuwirken, sofern alle von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen für eine ordnungsgemäße Klagezustellung erbracht sind und insbesondere der Gerichtskostenvorschuss einbezahlt worden ist (so das LG München I als II. Instanz). Hier ist der Kläger über 4 Jahre untätig geblieben.Der BGH hätte es sich natürlich leicht machen können und entscheiden können, dass eine Klagepartei jedenfalls nicht 4 Jahre untätig bleiben darf und somit keine Zustellung „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO vorliegt. Damit wäre aber noch nicht geklärt gewesen, wie lange eine Klagepartei, die für die Zustellung einer Beschlussanfechtungsklage alles Erforderliche getan hat, untätig bleiben darf. Dankenswerterweise hat der BGH in der vorliegenden Entscheidung den Zeitraum auf ein Jahr nach Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist festgelegt und sich dabei auf die Treuepflicht der Wohnungseigentümer in wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren berufen. Selbst die Dauer von einem Jahr nach Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist ist eigentlich mit dem Sinn und Zweck der einmonatigen Anfechtungsfrist nicht vereinbar. Wie vom BGH zutreffend ausgeführt, verfolgt die einmonatige Anfechtungsfrist den Zweck, für die Eigentümer Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu gewährleisten. Es soll in absehbarer Zeit Kenntnis, Klarheit und Rechtssicherheit bestehen, ob und in welchem Umfang gegen Eigentümerbeschlüsse aus einer vor kurzem stattgefundenen Eigentümerversammlung Anfechtungsklage erhoben worden ist.

Vor diesem Hintergrund überrascht es auf den 1. Blick, dass der BGH es einer Klagepartei zugesteht, ein Jahr nach Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist untätig sein zu dürfen, denn mit dem Sinn und Zweck der einmonatigen Klagefrist ist es eigentlich nicht vereinbar, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft erst ein Jahr später davon Kenntnis erlangt, dass gegen Eigentümerbeschlüsse, die vor über einem Jahr gefasst worden sind, vor rund einem Jahr Anfechtungsklage erhoben worden ist. Auf den 2. Blick erschließt sich aber die Festlegung dieses Zeitraums. In nachvollziehbarer Weise stützt sich der BGH auf die bestehenden Fristen zur Wiedereinsetzung. Gemäß § 45 S. 2 WEG (§ 46 Abs. 1 S. 3 WEG aF) in Verbindung mit § 234 Abs. 3 ZPO kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist gerechnet, d.h. ein Jahr ab Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist, die Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist nicht mehr beantragt werden. Nach Ablauf eines Jahres seit dem Ende der einmonatigen Anfechtungsfrist besteht also nicht einmal mehr über die Wiedereinsetzung die Möglichkeit, gegen einen Eigentümerbeschluss Anfechtungsklage zu erheben. Somit besteht eine 100%-ige Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, dass gegen Eigentümerbeschlüsse keine Anfechtungsklage mehr erhoben werden kann, erst nach Ablauf eines Jahres ab dem Ende der versäumten einmonatigen Klagefrist.

Angelehnt an diese Frist kam der BGH zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass innerhalb dieses Zeitraums es dem klagenden Wohnungseigentümer obliegt, bei Gericht nach dem Sachstand zu fragen, wenn eine Zustellung der Klage trotz sämtlicher von ihm vorgenommener erforderlicher Mitwirkungshandlungen unterblieben ist. Diese Mitwirkungshandlung der Klagepartei innerhalb eines Jahres nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist ist ihr im Rahmen der gegenseitigen Treue- und Rücksichtnahmepflicht auch zuzumuten, da die Klagepartei im Gegensatz zu den übrigen Wohnungseigentümern und der Wohnungseigentümergemeinschaft Kenntnis von der selbst eingereichten Klage hat. Die gegenseitige Treue- und Rücksichtnahmepflicht gebietet es daher, die Beklagtenpartei innerhalb eines Jahres nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist auf denselben Wissens- und Kenntnisstand zu bringen. Da diese Frist hier bei weitem überschritten war, ist die Anfechtungsklage völlig zu Recht aufgrund der Versäumung der einmonatigen Klagefrist als unbegründet abgewiesen worden, nachdem Nichtigkeitsgründe weder ersichtlich, noch vorgetragen waren.

 

4. So stellt sich am Schluss noch die Frage, ob und auf welche anderen Klagearten diese Entscheidung gegebenenfalls übertragen und angewendet werden kann. Nach dem Verständnis des Verfassers beschränkt sich der Anwendungsbereich dieser Entscheidung, wonach bei Verzögerungen der Klagezustellung spätestens innerhalb eines Jahres nach Ablauf der eigentlichen Frist bei Gericht nach dem Sachstand zu fragen ist, selbst wenn alle für eine ordnungsgemäße Klagezustellung geforderten Mitwirkungshandlungen erbracht sind und insbesondere der Gerichtskostenvorschuss ordnungsgemäß einbezahlt worden ist, auf die Beschlussanfechtungsklage im Sinne von § 44 Abs. 1 S. 1 WEG. Die Anlehnung an § 234 Abs. 3 ZPO ist nur bei denjenigen Fristen möglich, die entweder von § 233 Satz 1 ZPO erfasst sind oder bei denen ausdrücklich auf die Vorschriften zur Wiedereinsetzung verwiesen wird, so wie es bei § 45 S. 2 WEG (§ 46 Abs. 1 S. 3 WEG aF) der Fall ist. Wenn also beispielsweise rechtzeitig vor Ablauf der Gewährleistungsfrist oder der Verjährungsfrist eine Klage bei Gericht eingereicht wird, um den Fristablauf zu hemmen, kann die Klagepartei, die alles für eine Klagezustellung Erforderliche getan hat und insbesondere den Gerichtskostenvorschuss einbezahlt hat, nicht unter Verweis auf das vorliegende Urteil des BGH ein Jahr untätig bleiben; in diesem Fall gelten die allgemeinen Vorschriften, insbesondere § 204 Abs. 2 S. 3 BGB, wonach die Hemmungswirkung nach Ablauf von 6 Monaten seit der letzten Verfahrenshandlung der Parteien oder des Gerichts endet, d.h. in einem solchen Fall muss eine Klagepartei im Einzelfall schon deutlich vor Ablauf eines Jahres tätig werden und sich bei Gericht nach dem Sachstand erkundigen und auf eine Zustellung der Klage hinwirken, wenn sie einen möglichen Verjährungseintritt verhindern möchte.

 

Autor

Burkhard Rüscher
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Partner

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